Dagmar Großheim

"Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel richtig setzen"
- Aristoteles -

Weltmeisterschaft im Triple Ironman in Lensahn/Ostsee

30. Juli bis 01. August 2010
11,4 KM Schwimmen – 540 KM Radfahren – 126 KM Laufen

Nachdem ich dreimal beim Double Ironman und einmal beim Deca Ironman erfolgreich am Start war fehlte mir zum Abschluss nur noch der Triple in Lensahn, den ich noch nie absolviert hatte. Nach 48 Lebensjahren und über 20 Jahren Triathlon werde ich nun langsam müde in diesem Bereich, nicht müde was den Sport angeht, was ich aber nicht mehr machen möchte, ist tagelanges und vor allem auch nächtelanges „Imkreislaufen“, wie auf Ultratriathlonveranstaltungen und Multidayläufen üblich ist. Es gibt noch viel Spannendes im Sport zu erleben und dahin soll die Reise in den nächsten Jahren gehen, etwas mehr erleben als nur Quälen. Aber diese Weltmeisterschaft wollte ich gerne noch mitmachen, zumal der Triple Lensahn eine Traditionsveranstaltung ist, die es seit fast 20 Jahren gibt.

Meine Betreuer waren diesmal zwei langjährige Freunde aus meiner alten Heimat am Niederrhein, Toni und seine Frau Karin. Mit Toni verbinden mich so einige gemeinsame sportliche Erlebnisse und ich wusste im Vorfeld, dass ich mich auf die beiden verlassen konnte und sie ihre Aufgabe perfekt erfüllen werden.

Zur Veranstaltung und der Organisation kann ich nur sagen, dass alles wirklich perfekt war. Das ganze Städtchen war in dieses Ereignis involviert, alle waren drei Tage lang für die Athleten da, zum Helfen, zum Anfeuern, zum Feiern, wirklich außergewöhnlich.

Ich hatte ja bereits im Vorfeld beschlossen und verkündet, dass dies mein letzter Wettkampf dieser Art war, ich brenne nicht mehr für diese Art Sport und das konnte ich an meiner Motivation spüren. Es war von Anfang an sehr schwer in das Rennen zu finden, schon das Schwimmen fiel mir schwer, obwohl ich sonst eher zu den guten Schwimmern zähle. Diesmal hat es mich belastet, dass nach weniger als der Hälfte der 11,4 KM meine Arme und der Rücken schmerzte. Ich konnte diesen Zustand schlecht akzeptieren, was für mental natürlich nicht förderlich ist. Ich wurde immer langsamer, habe mich unwohl gefühlt und darüber nachgedacht, was eigentlich nicht sein sollte. Mit dem schlechtesten Schwimmergebnis meiner Laufbahn verließ ich nach 4:41 Stunden das Wasser. Von 49 Startern waren nach mir nur noch drei im Wasser und ich war entsetzt.

Nun galt es das Beste aus der Situation zu machen, Schwimmen ist im Triathlon recht unbedeutend, selbst ein Rückstand von einer Stunde hat nicht viel zu sagen. Also, zweite Disziplin angehen und Plätze gut machen. Das Wetter meinte es auf den ersten Blick gut mit uns, ein paar Wolken, manchmal Sonne, immer trocken. Aber eben nur auf den ersten Blick, der zweite Blick wurde dann auf der Radstrecke wirklich. Sobald wir den kleinen Ort verlassen hatten, waren wir sehr heftigem Wind ausgesetzt. Dieser kam von der Seite, bei einer Wendepunktstrecke von insgesamt 8,1 KM mal von rechts, mal von links, immer mit richtigen Sturmböen, sodass ich ständig krampfhaft den Lenker festhalten musste. Zuhause würde ich niemals bei solchem Wind das Rad rausholen, nicht weil es anstrengend ist, sondern weil ich Angst habe. Aber hier gab es keine Wahl, 540 KM mussten gefahren werden, ob nun mit oder ohne Angst. Zum Glück ließ der Wind in der Nacht nach, Dunkelheit und Sturm brauchte ich zum Glück nicht zusammen ertragen. Ich konnte auf den ersten 300 KM insgesamt 10 Plätze gut machen, auch die beiden vor mir liegenden Frauen kamen in Reichweite, mit der Zweitplatzierten, die über eine Stunde vor mir aus dem Wasser war, lag ich sogar in der gleichen Runde. Am Morgen kam er dann wieder, der Wind, der Sturm. Die Schmerzen im Nacken, die mich viele Stunden begleitet haben, ließen etwas nach, dafür zog der Schmerz in den unteren Rücken. Wahrscheinlich lag es an der anderen Belastung, denn diesmal kam der Wind von vorne, Rückweg von hinten. Die Gegenwindstrecke hat mich völlig leer gesaugt, körperlich und mental, die letzten Runden waren einfach die Hölle und ich sehnte mich nur noch nach meinen Laufschuhen. Auf Platz 35, kurz hinter den beiden ersten Frauen ging ich auf die Laufstrecke.

Die letzte Disziplin war in der Vergangenheit eher Erlösung, nur noch Laufen war bisher meine Devise, diesmal schienen unendliche lange 126 KM vor mir zu liegen, der Gedanke an drei Marathons in meiner Verfassung, war alles andere als Freude. Laufen war diesmal von Anfang an eine Qual, die Runde von 1,3 KM 96mal zu durchlaufen. Meine Beine wollen an dieser Stelle nie so richtig, aber diesmal war nicht mal der Kopf richtig bereit. Aber ich machte mich an meine Aufgabe. Nach den ersten 10 Kilometern kamen meine Freunde Elvira und Ingo vom Bodensee an die Strecke. Toni und Karin haben alles getan, was mir den Wettkampf erleichtern konnte, alles war da, nie war ich alleine, aber dennoch war es für meinen Kopf nun gut die beiden Hagnauer zu sehen, auch sie liefen erst einmal ein paar Runden mit mir und für die Motivation war es wirklich gut, wenigstens ein paar Runden. Dann kam die zweite Nacht: zur Erschöpfung kam Müdigkeit und ich wurde noch langsamer als langsam. Toni war ratlos und versuchte es damit, dass er mich mal eine Weile alleine lassen wollte. Ich war auch ratlos, wenn ich in diesem Tempo weitermachen würde, könnte ich den Wettkampf nicht innerhalb des Zeitlimits beenden. Nie hatte ich die Idee aufzugeben, meine Gedanken kreisten ständig darum WIE ich es im Limit schaffen sollte. Ich befand mich völlig in negativen Gedankenbahnen, auf zahlreichen Seminaren hatte ich gelernt, dass ich erst einmal raus muss, aus dieser Situation. Aber wie? Ich beschloss mich eine kurze Zeit schlafen zu legen, im meinem Zelt aufzutanken und dann neu ins Rennen zu finden. Ein guter Entschluss, vor dem Einschlafen habe ich noch ein paar SMS auf meinem Handy gefunden, eine davon habe ich als Strohhalm benutzt, mit diesen Gedanken bin ich nach weniger als einer Stunde aufgewacht und war bereit, diesen Triple zu Ende zu bringen. 14 Stunden Quälerei und Konzentration auf mein Ziel hatte ich noch vor mir. Später erfuhr ich, dass niemand in Lensahn daran geglaubt hat, dass ich im Zeitlimit finishen würde, nur Toni ließ sich nur hin und wieder von diesen Gedanken der anderen mitreißen, hat aber grundsätzlich an mich geglaubt. Ich hatte nie Zweifel an mir, ich wusste immer, dass ich es schaffen würde und ich wusste, dass es sehr, sehr hart werden würde und ich keine Möglichkeit mehr hatte eine Pause einzulegen oder noch langsamer zu werden.

Nach 57 Stunden und 24 Minuten und 25 Sekunden hatte ich mir meine Bronzemedaille endlich verdient!

 

 

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